«The Commitments»: Soul für eine verlorene Generation | TagesWoche (2024)

Vor 25 Jahren brachte Alan Parker «The Commitments» ins Kino. Der Film erzählt ein Musikmärchen, das mitreisst: Den Aufstieg einer jungen Band, die den schwarzen Soul ins katholisch-weisse Dublin überführt. Nicht nur die Klassiker wie «Mustang Sally» hallen nach, auch die Story wirkt zeitlos.

  • Marc Krebs
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Vor 25 Jahren brachte Alan Parker «The Commitments» ins Kino. Der Film erzählt ein Musikmärchen, das mitreisst: Den Aufstieg einer jungen Band, die den schwarzen Soul ins katholisch-weisse Dublin überführt. Nicht nur die Klassiker wie «Mustang Sally» hallen nach, auch die Story wirkt zeitlos.

Maria Doyle Kennedy (Mitte) hat ihren Ruhm seit «The Commitments» noch steigern können. (Bild: © Alan Parker)Andrew Strong hingegen geriet trotz seiner Joe-co*cker-Stimme nach dem Film in Vergessenheit. (Bild: © Alan Parker)Die irische Tristesse in den 80er-Jahren, Alan Parker hat sie schön in Szene gesetzt. (Bild: © Alan Parker)Grauer Alltag. Die Commitments brachen aus ihm aus. (Bild: © Alan Parker)Für ihre hoffnungsvolle Soulmusik wurden sie von den Menschen in Dublin bejubelt. (Bild: © Alan Parker)Die sexuelle Stimulation von Songs und Band übertrug sich auch aufs Publikum. (Bild: © Alan Parker)Doch wo Erfolg und Sex sind, ist Eifersucht nicht weit. Die Band zerbricht an Interna. (Bild: © Alan Parker)Manager Jimmy lässt seinen Frust am Tourbus aus. (Bild: © Alan Parker)

Dublin, Irland, in den 1980er-Jahren. Gegen die Tristesse hilft bestenfalls Guinness. Der Staat ist korrupt, die Wirtschaft lahm, der Alltag grau, das Klima rau. Die Gesellschaft wirkt freudlos angesichts der Industriekrise, des Religionskrieges im Norden, der Politik. Die Arbeiterklasse braucht Visionen, Hoffnung – und Wärme.

Jimmy Rabbitte hat all das. Nur einen Jobbraucht er noch. Also schafft er sich diesen: Er will eine Band zusammenstellen und diese als Manager zum Erfolg führen. Kein Irish-Folk, auch kein Rock à la U2 schwebt ihm vor, nein, er wünscht sich Soulmusik, so wie sie in den 60er-Jahren durch die US-amerikanischen Stimmen von James Brown, Otis Redding oder Aretha Franklin bekannt geworden ist. Also lädt er in seinem Quartier zum Vorsingen und formt eine elfköpfige Formation, mit Backing-Sängerinnen und Bläsersatz. Der Name: The Commitments.

Viele von ihnen selber klamm, klammern sie sich an die Hoffnung, «es» zu schaffen. Aber warum ausgerechnet mit Soulmusik, fragen sich die jungen Musiker? Jimmy Rabbitte erklärt ihnen, warum:

«The Irish are the Blacks of Europe. Dubliners are the Blacks of Ireland (…) So say it once and say it loud: I’m black and I’m proud!»

Ja. Er scheint das ernst zu meinen. Womit der wunderbare Charme dieses Musikfilms spürbar wird: Die Leidenschaft trifft hier auf kuriose Dialoge, die mitreissenden Songs auf einen hinreissenden Humor.

Das Buch von Doyle, der Film von Parker

«The Commitments» war in der Vorlage ein Roman von Roddy Doyle. Alan Parker («The Wall», «Fame») verpackte den Stoff 1991 in einen Musikfilm, den man, einmal gesehen, nicht vergisst. Warum? Weil er ein Märchen im Arbeitermilieu erzählt: Junge Musiker proben hart, im Schlachthof, in der Kirche.

Man fiebert mit, wünscht sich mit ihnen den Durchbruch bei ihrem Auftritt im Quartierzentrum. Man leidet mit ihnen, als sie erste Rückschläge zu verkraften haben, weil der bunte Haufen aus so unterschiedlichen Charakteren besteht, die – jeder, der in Grossformationen gespielt hat, weiss das selber – mit ihren Interessen und Ansichten nicht einfach auf einen Nenner zu bringen sind.

Spass, Sex, Starallüren – alles drin, was man in Bands erlebt

Mit dem Erfolg kommen auch Starallüren, mit der Nähe auch amouröse Affären und Eifersucht. All das zerrt am Bandgefüge. Daneben aber lacht man viel, mit den Musikern, über den ansteckenden Spass, die Freude, die die Arbeit in so einem Kollektiv hervorrufen kann. Und man verliebt sich ein bisschen – in einen der Musiker, eine der Sängerinnen … vielleicht aber auch einfach nur in dieses Märchen – und ganz bestimmt in diese Musik.

Denn Regisseur Alan Parker hat nicht nur bei der Wahl des Stoffsein Händchen bewiesen, sondern auch bei der Songauswahl und dem Cast. Keiner der Schauspieler war bekannt, aber fast alle waren tatsächlich junge Musiker. Andrew Strong etwa, männlicher Leadsänger, nahm an der Audition teil, nachdem man seinen Vater eingeladen hatte. Wie der 16-Jährige sang, haut heute noch vom Hocker: Soul in co*ckerscher Manier. Unvergesslich seine Interpretationen von «Mustang Sally» oder «Try A Little Tenderness», die dank des Films (und dessen grossartigen Soundtracks) auch bei uns am Radio rauf- und runtergespielt wurden.

Drei Gesichter, die nachher Weltstars wurden

Für viele Darsteller markierte der Auftritt in «The Commitments» Durchbruch und Höhepunkt ihrer internationalen Karriere. Mit drei grossen Ausnahmen: Colm Meaney, Jimmys Rabbittes Vater, wurde von der Star-Trek-Flotte aufgenommen. Andrea Corr, Jimmys Schwester, füllte Jahre später mit The Corrs Stadien. Und Maria Doyle Kennedy, die eine der Background-Sängerinnen spielt, tourt als Singer-Songwriterin (und tritt fast jedes Jahr im Basler «Parterre» auf). Vor allem aber feiert sie noch immer weltweit Erfolge als Schauspielerin: in Serien wie «Tudors», «Dexter» oder «Downton Abbey». (Eine Liste, was die Schauspielerinnen und Schauspieler heute machen, findet sich hier).

Und dann sind da die Songs: so viel Soul drin. So viele alte Klassiker, die das Herz wärmen – und die zumindest meine Generation erst durch diesen Film entdeckt hat. Denn Soul war 1991 so was von out, das kann sich die Generation Amy gar nicht vorstellen.

Die Commitments gibt es wieder – als Abklatsch, als Musical

Heute ist das erfreulicherweise anders. Auch The Commitments, die Idee, will vom Revival profitieren:Von Bromley bis Plymouth, von Aberdeen bis Bristol, sind The Commitments wieder auf Tour. Allerdings nicht in der Original-Besetzung, wie das vor fünf Jahren, zum 20-Jahr-Jubiläum, der Fall war. Nein, mittlerweile ist der Film auf der nächsten Vermarktungsstufe der Unterhaltungsindustrie angekommen: als Musical!

Zum Glück hat die Soulmusik seit Amy Winehouse wieder originäre Künstler an die Oberfläche gespült. So kann man auf das Musical mit den alten Songs, aber ohne die alten Darsteller, guten Gewissens verzichten und dafür mal wieder ein Neo-Soul-Konzert besuchen – und danach zu Hause den Film schauen.

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